Buchcover
BEDEUTENDE SAMMLUNG VON HANDSCHRIFTEN ZUR MILITÄRREFORM IN BAYERN -: Der Schuber mit dem Titel '1. Artillerie Compagnie' enthält zwei gebundene schmale Bändchen und neun Faszikel mit höchst informativen, teils beeindruckend illustrierten, Aufzeichnungen zur Reform der Organisation und Ausbildung der Artillerie während der Regierung des Kurfürsten Maximilian IV. Joseph (1756 - 1825) und mit Reglementen aus der Napoleonischen Ära. Die einzelnen Abhandlungen sind von verschiedenen Händen gut lesbar geschrieben.

"Zum Kontext der Entstehung der Handschriften: 1620 wurde in Bayern der 'Hofkriegsrat' gegründet, der bis zum Reformjahr 1799 bestand. In diesem Jahr trat Kurfürst Maximilian IV. Joseph (1756-1825) im zweiten Koalitionskrieg die Nachfolge des verstorbenen Kurfürsten Karl-Theodor von Pfalz-Bayern an. Er ernannte Maximilian Joseph von Montgelas (1759-1838) zu seinem leitenden Minister, der zügig Pläne für Reformen in Bayern ausarbeitete. Vor allem die Armee befand sich in desolatem Zustand, der Ausbildungsstand der Soldaten war mangelhaft, weshalb sich der Kurfürst besonders auf den Aufbau eines zeitgemäßen Heeres konzentrierte. Die Armee wurde nach französischem Vorbild von den Generälen Deroy, Wrede und Triva modernisiert und war bald die fortschrittlichste Truppe des deutschen Raumes, in der zuerst die Prügelstrafe abgeschafft wurde. Um 1800 gab es ein Oberstes Kriegskollegium, das im 3. Faszikel erwähnt wird. Seit 1801 waren der Kriegsrat beziehungsweise der Kriegsökonomierat die obersten militärischen Kommandobehörden Bayerns, 1804 folgte die Umbenennung in 'Geheimes Kriegsbureau'. Nachdem der Kurfürst 1806 als Maximilian I. Joseph zum König von Bayern gekrönt worden war, wurde die Armee in 'Armee des Königreichs Bayern' umbenannt. In dieser hier kurz umrissenen Reformphase um 1800 entstanden die meisten der in diesem Schuber enthaltenen Schriften. An der Militärakademie München wurden zu dieser Zeit Vorlesungen von einem Professor für Zeichen- und Kriegsbaukunst gehalten. Mit diesen guten zeitgenössischen Ausbildungsmöglichkeiten lässt sich möglicherweise erklären, weshalb die präzisen lavierten Zeichnungen zur Kriegstechnik innerhalb eines Faszikels dieses Konvolutes ein so hohes Niveau erreichen. Bei einigen der enthaltenen Schriften handelt es sich, das legen Titel und Inhalt nahe, um Lehrtexte oder Unterrichtsmitschriften, wohl von Kursen an der Militärakademie. Die enthaltenen französischen Texte sind vor allem Kopien von Reglements mit Anordnungen und Verhaltensregeln für die Armee der Französischen Republik und der Rheinarmee. Im Einzelnen enthält der Schuber folgende Texte: 1- 'Eintheilung des Feld Geschütz bey Infanterie und Cavallerie und sonstige Placierung'. Blauer Pappband mit Titelschild, 28 nicht nummerierte Seiten, der Text ist nach der Einleitung in 30 Paragraphen gegliedert. Die letzte Seite mit mehreren Einträgen: 'Ingolstadt, den 1. May 1793 Von Chur-falzbayr. Grafen von Rumford (unleserlich) Artillerie Regiments Commando' und von zweiter Hand der Namenszug 'Hallberg OberstL(eutnant)', wahrscheinlich Karl Theodor Freiherr zu Hallberg (1752 - 1840), der bis zum Kommandeur der Bayrischen Armee avancierte. Erst 1792 war Rumford zum 'Proprietaire' des Artillerieregiments ernannt worden, nachdem er seit 1790 zahlreiche Reformen des Heerwesens in Gang gebracht hatte. Der Amerikaner Sir Benjamin Thompson, Reichsgraf von Rumford (1753-1814), war in England, Deutschland und Frankreich als Offizier, Politiker und Forscher tätig. Er führte viel beachtete Experimente zur Sprengkraft von Schießpulver, zur Geschwindigkeit von Artilleriegeschossen, zur Verbesserung von Schusswaffen und für ein wirkungsvolles Kommunikationssystem zwischen Schiffen durch. 1784 wurde er in München Adjudant und Kammerherr und erhielt den Auftrag zur Reorganisation der bayerischen Armee. Mit seinen sozialreformerischen Konzepten verbesserte er vor allem die Lebensverhältnisse der Soldaten, er ließ Armenküchen einrichten und erfand die ""Rumfordsuppe"", eine kostengünstige Kartoffelsuppe. Der Verzehr von Kartoffeln war vorher in der Bevölkerung kaum üblich gewesen. Auf seine Vorschläge ging auch die Anlage des Englischen Gartens als Münchner Volkspark zurück. 1788 erhielt Benjamin Thompson das Amt des Kriegsministers, zwei Jahre später wurde er zum Grafen Rumford ernannt. Als der Kurfürst Maximilian IV. Joseph 1798 während des Zweiten Koalitionskrieges aus München floh, gelang es Rumford - er war zu dieser Zeit Vorsitzender des Staatsrates - durch geschickte Verhandlungen mit den Franzosen und Österreichern, Bayerns Hauptstadt vor Kriegszerstörung zu bewahren. Seit 1799 hielt sich Rumford als Vertreter der Interessen Bayerns in London auf. Nach 1804 lebte er in Frankreich, wo er sich bis zu seinem Tod Erfindungen und Forschungsarbeiten widmete. Die vorliegende Schrift ist ein Dokument der Reformbemühungen unter Rumfords Kommando: ""des Grafen Streben, die Artillerie zu heben, theilte sich Allen mit. Sämmtliche Artillerie-Offiziere wurden einer Prüfung unterworfen"" (Xylander, Kretschmer, Militärische Mittheilungen, 3. Band, 1829, S. 151). Im Zuge dieser Neuorganisation und Qualifizierung mußte sich auch die Garnison Ingolstadt solche kurzgefassten Lehrtexte in handschriftlichen Kopien zugänglich machen und erschließen. 2- 'Anmerkungen über den Batterie-Bau'. 'Anmerkung über die Fortification passagere'. 42 nicht nummerierte Seiten und 5 ausfaltbare, farbige Illustrationen im Anhang. Gesprenkelter Pappband mit rotem, goldgeprägtem Titelschild. Behandelt werden im ersten Teil der Bau und die Verkleidung der Batterien, die verschiedenen 'Arten der Fachinen', die Verteidigung der Schantzkoerbe, der Bau der Bettungen und Batterie Magazine. Der zweite Teil erklärt und illustriert die 'horizontale Demontier Batterie', 'Eine erhoehte Batterie', die gesenkte Batterie, die 'Nominal Definition der Fortification', Durchschnitte im sandigen Boden für 'Musqueten Feuer' und für 'Canonen Feuer'. 3- 'Artillerie Unterricht 27. Merz 1800'. 28 nicht nummerierte Seiten, 2 unbeschriebene Blätter, in zwei Lagen geheftet. Offensichtlich die Mitschrift des Artillerieunterrichts, wie er nach den 1799 eingeleiteten Reformen gehalten wurde; der Unterricht wurde ""gegeben auf höchsten Befehl ... denen Herren Artillerie-Officiers, welche in das Feld gehen"" (S. 1). Auf der 5. Textseite nennt sich der mitschreibende Offizier 'München den 27ten Merz 1800 G. L. v. Mansow'. Auf der 6. Textseite findet sich unter dem Datum 12. April 1800 das 'Provisorische Reglement vom Dienst der im Feld stehenden Artillerie', am Ende des Textes wiederum mit dem Namenszug des Oberstleutnant 'Hallberg'. 4- 'Règlement Concernant la Service du Corps de l'artillerie en Campagne du premier avril 1792'. 32 gezählte Seiten in 4 Lagen, braune Tinte mit roten Zwischenüberschriften und einem 3-seitigen Register. Das Reglement beginnt mit der 'Composition d'un Equipage d'Artillerie' und behandelt insbesondere die verschiedenen Dienstgrade und ihre Funktionen. 5- 'Reglement concernant l'école des éléves d'artillerie etablie à Châlons departement de la Marne arrêté par le comité du salut public; le 25 floreal. An 3 de la république und et indivisible' (d.i. 1792). 17 gezählte Seiten und 3 unbeschriebene Seiten, in drei Lagen, braune Tinte mit Zwischenüberschriften in roter, verblasster Tinte, ebenfalls durch ein Register erschlossen. Das Reglement bestimmt den Lehrbetrieb an der Artillerieschule in Chalons-sur-Mârne. 6- 'Réglement particulier concernant le Service de L'artillerie en campagne. République francaise. Armée du Rhin'. 31 gezählte Seiten in 2 Lagen, braune Tinte mit Zwischenüberschriften in verblasster roter Tinte, durch ein Register erschlossen. Auf Seite 26 mit dem Vermerk 'Arrêté à munich le 19 messidor, le 8 Juillet 1800. Le général de division commandant en chef l'artillerie de l'armée Signé Éblé'. Auf Seite 27 findet sich die Kopie eines Erlasses des franz. Kriegsministeriums die Behandlung der Pferde in Artilleriedivisionen betreffend. 7- 'Unterricht der Pfalzbayrischen Artillerie. Zweites Capitre'. 30 nicht gezählte Seiten, 6 unbeschriebene Seiten, am Rand nachträglich etwas knapp beschnitten, braune Tinte auf etwas gröberem Papier. Enthält die Paragraphen 46 bis 62 und behandelt Schußweiten von Kanonen etc. 8- 'Artillerie Unterricht des Pfalzbayrischen Artill. Regiment 4ten von Major Gr. V. Sprety Compagnie'. 37 nicht gezählte Seiten, 3 unbeschriebene Seiten, braune Tinte auf festem Papier, geheftet. ""Dieser Unterricht wurde nicht in Fragen und Antworten abgefaßt"", so beginnt die Einleitung des in 45 Paragraphen gegliederten Unterichtstextes, der die Materie ganz praxisnah behandelt. 9- 'Provisorisches Reglement ... der Ausgaben für die Artillerie', 11 Seiten und 'Reglement Die administration der Munition, und der übrigen Artillerie Geräthe betreffend', gegeben von 'München den 12ten März 1800 Max. Joseph Churfürst', 25 S., braune Tinte auf festem Papier. 10- Abschrift des Erlasses, den der Präsident des Ober-Kriegs-Collegiums v. Dalwig, sowie seine Mitarbeiter von Huff und von Mansow im Auftrag des Pfalzgrafen Maximilian Joseph zur Neuformierung der Artillerieregimenter im März 1800 vorlegten. Der Text beginnt mit der Abschrift des Begleitschreibens, es folgen die Bestimmungen zur personellen Neuordnung der Artillerieregimenter, zur Finanzierung und der konkreten Besetzung der Führungsränge. Namensverzeichnisse und Verzeichnisse über die Montierungen und Gagen der verschiedenen Chargen erlauben einen sehr detaillierten Einblick in die Reformbestrebungen um 1800. 47 S., braune Tinte auf festem Papier. 11- 'Titre premier. Dispositions générales', 11 S., behandelt die Magazinverwaltung, 'Fonctions des officiers d'ouvrier', 'Magasin au bois', 'Magasin au Fer' etc. Für uns ist nur das 'Reglement concernant le Service du Corps de L'artillerie en campagne' von 1792 gedruckt nachweisbar, deshalb bietet die hier vorliegende Sammlung für die Forschung zur bayrischen Militärgeschichte und den Reformen um 1800 äußerst ergiebiges und aufschlußreiches Material. Zustand: Schuber berieben und mit Randläsuren, die Texte aber wohlerhalten, nahezu ungebräunt und fast fleckenfrei."
Preis: 3200 EUR