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TAGEBUCH AUS DEN BEFREIUNGSKRIEGEN -: 'Tage-Buch für Friedrich Wilhelm Dieter Neu Ruppin den 27ten Aprill 1815'. Handschrift in deutscher Sprache, braune Tinte auf Papier, Blattgröße 16,7 x 10 cm. In sauberer, gut lesbarer Reinschrift - wohl auf Grundlage der während des Feldzuges festgehaltenen Notizen nach der Rückkehr - zu Papier gebracht. Umfasst den Zeitraum vom Abmarsch in Neuruppin am 28. April 1815 über die Schlachten bei Ligny am 16. Juni und Wavre am 18. und 19. Juni bis zur Ankunft in Wittstock am 6. Januar 1816. Titelblatt, 41 Seiten, einfache Fadenheftung ohne festen Einband.

"Das Tagebuch beginnt mit dem ""Ausmarsch von Ruppin. Freytag den 28ten Aprill 1815 marschirten wir von Ruppin durch Fehrbellin nach Frisack. Sonnabend den 29ten Aprill sind wir von Frisack nach Rathenow marschirt, wo wir uns einige Stunden haben geruht und Mittag gegessen, von da sind wir nach das Dorf Melkow marschirt. Sonntag den 30ten Aprill sind wir bey Tangermünde über die Elbe gegangen, und in demselben Orte einige Stunden geruht und Mittag gegessen, und von da sind wir nach Groß-Schwarzloos (Gross Schwarzlosen) marschirt."" In solchen täglichen, kurzen Einträgen hält der Verfasser den weiteren Weg fest, der über Gardelegen (""wo wir unsere Gewehre ... und unser Pulver ... empfangen haben""), Vorsfelde, Braunschweig, Münzstädt, Hildesheim, Coppenbrügge und Hameln über die Weser führt. ""Den ganzen Tag und Nacht in die Gebürge marschirt, von diesen unglücklichen Marsch werden wir uns noch sehr oft erinnern, und kamen in Blomberg des Morgens um 1/2 2 Uhr an, wo wir uns einige Stunden geruht haben"". Von Blomberg geht es nach ""Meyenburg"" (gemeint ist wohl Bad Meinberg) und am ""Gesundbrunnen"" vorbei nach Horn, ""nahe an der Stadt ist ein merkwürdiger Stein ..., und wird der Exterstein genannt"". Am 10. Mai führt der Marsch durch Paderborn, dann weiter über Soest und Werl, Unna, Hagen, Barmen, Elberfeld und ""bey Coeln über den Rhein"". Über Jülich und Aachen gelangt die Truppe nach Verviers, dann nach Dison, Lüttich und Tavier und schließlich am 23. Mai nach Bonneville und bleibt dort bis zum 14. Juni. ""Donnerstag den 15ten Juny marschirten wir von Bonneville durch Namür, wo wir des Nachts bivouacirt haben, und den Freytag den 16ten Juny brechen wir aus dem Bivouac des Morgens auf, und marschirten bis bey Flöri (d.i.Fleurus) Charleroi, wo wir dort mit den Franzosen zusammen kamen, und haben uns mit ihnen bis Abends 9 - 10 Uhr geschlagen."" Diese Kämpfe bei Fleurus, bekannt unter dem Namen Schlacht von Ligny, bestritten die französischen Truppen der Grande Armée unter Napoleon - zwei Tage vor der Schlacht bei Waterloo - zwar siegreich, aber Ligny war Napoleons letzter Sieg. Denn er hatte die Truppen Blüchers unter Einsatz der Alten Garde zwar geschlagen, aber nicht völlig vernichtet. Und das hatte für Napoleon bekanntlich verhängnisvolle Folgen in der Schlacht bei Waterloo. Unser Chronist berichtet weder über den Verlauf noch über den Ausgang der Kämpfe. Er bleibt bei seinem sachlich distanzierten, fast stoischen Ton und fährt fort: ""Sonnabend den 17ten Juny des Morgens zwischen 1 und 2 Uhr marschirten wir weiter, und giengen den ganzen Tag durch, des Abends um 10 Uhr kamen wir bey Vavre (d.i. Wavre) in Bivouac, es regnete sehr stark die ganze Nacht, wo wir alle durchgenäßt wurden."" Auch diese historisch bedeutsame Schlacht, bei der die preussische Nachhut unter Johann Adolf von Thielmann 30 000 französische Soldaten unter dem Befehl von Emmanuel de Grouchy von der Schlacht von Waterloo fernhielten und damit zur Niederlage Napoleons beitrugen, wird im Tagebuch geradezu lakonisch vermerkt: ""und kamen um 4 Uhr mit die Franzosen zusammen, dies dauerte wohl ohngefähr bis Abends um 11 - 12 Uhr. Montag den 19ten Juny des Morgens um 2 Uhr nahm also die Kannonade wieder den Anfang, und dauerte wohl bis ohngefähr gegen 10 Uhr Vormittags, wo wir alsdann zurückgiengen und kamen bey Nercy in Bivouac."" Am 20. Juni verfolgte seine Truppe die Franzosen bis Gembloux. Es geht in den folgenden Tagen durch Fleurus und Charleroi, Beaumont und Grandrieu zur Festung Avesnes, ""welche .. ganz durch ein Pulver Magazin zersprengt war"" (tags zuvor hatte General von Zieten die Festung bombardieren lassen), weiter nach Guise, Saint-Quentin und Compiègne bis seine Truppe - nach einigen Nachtmärschen - am Sonntag den 2. Juli schließlich durch Versailles marschiert und ""am Abend im Bivouac bey Chatenay"" ankommt. Am 3 Juli ""stellten wir uns bey Secaut (wohl Sceaux) auf, wo wir den Feind erwarteten"", am 8. Juli erreicht man Paris, aber schon am nächsten Tag geht es weiter über Longjumeau, Boutigny nach Augerville-la-Rivière, wo man bis zum 16. Juli bleibt. Am 20. Juli erreicht man Artenay und bricht am 28. Juli wieder auf, Richtung Bonnétable, wo man bis zum 25. August bleibt. Der nächste Marsch führt nach Saint-Cosme-en-Verais - hier bleibt die Truppe bis zum 22. September. ""Freytag den 22. Septbr. marschirten wir aus St. Cosme, und kamen im Bivouac bey Bellesme (d.i. Bellême), diese Nacht wurde ein sehr starkes Gewitter, daß wir vom Regen ganz durchnäßt wurden"". Über La Loupe, wo Ersatzmannschaften zu der Truppe stossen, geht es nach Versailles und Jouy. Am 29. September ""bin ich in Dienstgeschäften nach Paris"" und am 3. Oktober ""hatten wir bey Paris für unseren geliebten König Revüe, ich bin aber in Jouy zurückgeblieben"". Das Lager in Jouy wird am 11. Oktober verlassen; über Paris geht es nach Meaux, über die Marne, Epeaux, Pocancy, Verdun, an der Festung Metz vorbei nach Steinbiedersdorf (franz. Pontpierre), ""hier war unser erster Ort, wo sie wieder deutsch sprachen"". Am 17. November geht es über Spicheren, Saarbrücken, Kaiserslautern, Bechtolsheim, bei Oppenheim über den Rhein, Frankfurt, Hanau, Eisenach zur Wartburg. Diesem Ort gilt der längste Eintrag im Tagebuch: ""Sonnabend den 16ten Decbr. hatten wir Ruhetag in Bischofsrode, und bin mit Lieutenant Ewald, Presso und Peters nach Eisenach gefahren, wir sind auf dem Schloße Wartenburg wo Doctor Luther seine Wohnung gehabt hat, u. sind in die Stube wo D. L. studirt, u. in der Kirche, wo er gepredigt hat, gewesen, und noch mehrere Merkwürdigkeiten haben wir dort gesehen"". Über Gotha, Erfurt und Weimar zum Gut Oßmannstedt, ""wo der alte Wieland gewohnt hat"", ""haben das Grab wo der alte Wieland begraben liegt, gesehen"", weiter über Naumburg nach Halle, das sie am 25. 12., dem ""ersten Heiligen Christ-Tage"" erreichen. Am letzten Tag des Jahres 1815 geht es durch Roskow nach Bredow, dann Nauen, Linum, Fehrbellin, Neuruppin; am 6. Januar erreichen sie Wittstock, wo am 18. Januar das Friedensfest gefeiert wurde. ""Dienstag den 26ten März bin ich von Wittstock ... Cremmen gegangen."" Damit endet das Tagebuch, das aus ""großer"" Zeit so bemerkenswert unaufgeregt berichtet. Auf den ersten Blick mag es irritieren, dass ein Zeitzeuge der Schlachten bei Ligny und Wavre in seinem Tagebuch kein ""Hurra"", keinen Siegestaumel, weder Begeisterung für die Befreiung von Napoleon noch das Grauen der Schlachtfelder oder Trauer über gefallene Kameraden festhält. Der ausführlichste Eintrag gilt nicht der erlittenen Niederlage bei Ligny oder dem Sieg bei Wavre, er behandelt den Besuch auf der Wartburg. Auch die Anstrengungen eines fast einjährigen Feldzuges, der Gewaltmärsche bei Nacht und Regen, werden hier nicht beschrieben. Und dennoch werden aus dieser so sachlichen und peniblen Auflistung endloser Etappen die Fremdbestimmung, Entbehrungen und Strapazen eines Krieges spürbar. Wir können aufgrund der Marschroute und der Schlachtenbeteiligungen annehmen, dass der Autor in der 12. Brigade (und dort möglicherweise im 6. Kurmärkischen Landwehr-Infantrie-Regiment unter von Rohr) des 3. Armeekorps unter Johann Adolf von Thielmann Dienst tat und wir können aus seiner Dienstreise nach Paris und seiner Beschreibung des Ausfluges auf die Wartburg annehmen, dass er, wie seine Begleiter, ebenfalls als Leutnant diente. Seine Handschrift ist geübt, seine kurzen Beschreibungen und sein Interesse für Luther und Wieland zeigen, dass er über einen gewissen Bildungshintergrund verfügte - wenn er in seinem Tagebuch also so wenig über den Krieg erzählte, lag es sicher nicht an mangelnder Ausdrucksmöglichkeit, sondern er wollte es so. Das macht dieses Tagebuch zu einem interessanten Zeugnis für die Erforschung der zeitgenössischen Wahrnehmung von Krieg. Zustand: etwas gebräunt und durchgängig stockfleckig."
Preis: 1700 EUR