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DDR KULTURPOLITIK -: 'Kulturtagebuch. 18. Lehrgang für Kulturfunktionäre beim Ministerium für Kultur. Horst Meder Seminar 2'. Handschrift in blauem Kugelschreiber auf Papier, mit zahlreichen eingeklebten Zeitungsartikeln, Collagen, Broschüren, Fotografien, Programmzetteln, Eintrittskarten etc., Leipzig, 1962. 98 meist einseitig beschriebene bzw. beklebte Blätter, in einem roten Klemmordner mit montiertem Titelschild (Messestadt Leipzig), 30,5 x 22 cm.

"Höchst aufschlussreiches und anschauliches Dokument der Schulung und der Überzeugungen von Kulturfunktionären der jungen DDR. Da das Führen eines solchen Tagebuchs zu den Pflichten der Kursteilnehmer gehörte, berichtet in ihm zunächst der in seinem Klassenstandpunkt ideologisch gefestigte Funktionär der DDR. Aber daneben ist auch ein echtes Ringen um das richtige Kulturverständnis, große Begeisterung für Kultur, ernsthafte Auseinandersetzung mit der faschistischen Vergangenheit, Mut zur Kritik und bisweilen eine gewisse kleinbürgerliche Besorgtheit um Kleiderordnung und fehlende Tischdekoration zu sehen. Das Kulturtagebuch beginnt nach einem liebevoll gestalteten Vortitel mit dem Bericht über die deutsche Erstaufführung von Konstantin Simonows Stück 'Der Vierte' in den Kammerspielen des Leipziger Theaters: ""Ein höchst aktuelles Stück, was jeder Mensch sehen sollte. Zeigt es doch so eindringlich die imperialistische Kriegspolitik, für die kein Mittel zur Erreichung ihrer Ziele gemein genug sein kann."" Es folgen teils mit Bildern eingeklebte, gedruckte Texte über Simonow, wohl aus dem Programmheft zur Aufführung und Zeitungsartikel zu dem Stück. Nach dem Premierenbesuch stand am 29. Januar 1962 der Film 'Und wieder zu den Sternen' über Gagarin und Titow auf dem Programm der Kulturfunktionäre: ""Es konnte nur ein Kommunist, frei vom Siechtum des Individualismus und frei von jedem krankhaften Ehrgeiz sein, der diesen Sieg über den Kosmos davontrug"". Am gleichen Tag sah man sich noch einen weiteren Film an: 'Kuba heute' und zwar als ""Ergänzung des Themas 6, 'Unsere Epoche - die Epoche des Kolonialsystems des Imperialismus'. Dann springt das Tagebuch zeitlich etwas zurück und kommentiert den Klubabend am 25. 1.: ""Das Programm war fröhlich und optimistisch"", allerdings wirkte ""der nicht kontinuierliche Ablauf des Programms"" doch störend. Darüberhinaus empfindet der Verfasser die fehlende Kleiderordnung als Mangel: ""Unklar war bei allen, ist schwarzer Anzug erforderlich oder nicht, dadurch war die Kleidung der Männer recht bunt."" Immerhin: ""Ausschreitungen gegen die Disziplin hab ich nicht gemerkt"". Drei eingefügte Fotos illustrieren den bunten Abend in schwarz-weiß. Am 1. Februar wurde ""gemeinsam die als Fernsehspiel dramatisierte Novelle von Marianne Bruns 'Das ist Diebstahl' "" angesehen, die das Problem des Produktionsaufgebotes behandelt. Der Verfasser stellt fest, das dieses ""heiße Eisen"" der Produktionsnormen und der Planerfüllung hier künstlerisch und inhaltlich befriedigend behandelt werden. Zwei eingeklebte Zeitungsartikel zu dem Film kommen zu einem ähnlichen Schluß. Am 5. 2. wurden zwei weitere Filme angesehen 'Reise in die Urzeit' und 'Die Entstehung des Menschen'. Hier ging es darum das Verständnis für dialektische Betrachtung zu schulen. Ausgeschnittene Bilder und Farbtafeln zur Entwicklung des Menschen und zur Vorzeit illustrieren das Thema. Und dann ging es am 7. 2. in das Gewandhaus zu Mozart, Bruckner und einer Uraufführung von Hans W. Sachse. Dem Programmzettel schließt sich eine tief beeindruckte Schilderung des Abends an. Das Stück von Sachse hatte zwar enttäuscht (""bekam ich bis zum Schluß nicht mehr das Gefühl eines wohlklingenden Zusammenspiels""), ebenso der Bruckner (""gefiel mir gar nicht""), aber Mozart und der Solist Leonid Kogan entschädigten vollkommen dafür. Nur die mangelnde Disziplin bezüglich der Kleiderordnung stört den Kunstgenuss doch erheblich: ""Ich kann auch nicht verstehen, daß der Einlaßdienst sogar einen Besucher reinließ, der mit hellem Anzug, hellen Schuhen und in Sporthemd mit offenem Kragen erschien."". Es folgen Programmzettel anderer Konzerte und Museen, ein Bericht über den Besuch des naturkundlichen Heimatmuseums, ein Portraitfoto von G. Dimitroff und der illustrierte Bericht über den Besuch des Dimitroff-Museums, die Broschüre 'Dimitroff contra Göring' und dann ein Werbeblatt des Varietés Aeros 'Haus der heiteren Muse'. Dieser Besuch ""hat mich enttäuscht. Vor allem der Ansager .... Mit alten Gags und nicht mit der geringsten Aktualität"". Ein ernstes Thema schloss sich an. Das hektographierte Programm der Exkursion zu den Mahn- und Gedenkstätten Buchenwald am 28. Februar gibt Auskunft über den Ablauf des Tages. ""Wir sagten 1945, wir haben das nicht gewußt, aber keiner kann das deutsche Volk von dieser Schuld freisprechen, nämlich in der geschichtlichen Prüfung und Entscheidung versagt zu haben."" Die Gedanken zum Faschismus und zu Buchenwald nehmen breiten Raum in dem Tagebuch ein, hier sind ehrliche Betroffenheit und das Bemühen, Verantwortung zu übernehmen spürbar. Es schlossen sich Besichtigungen in Weimar an - Schiller wird als Kämpfer gegen den Feudalabsolutismus gewürdigt. Am 1. März sah man Salomé im Leipziger Opernhaus, dem entsprechenden Programmheft folgt der Bericht über den Auftritt des Tanzensembles der Republik (""Die Entgegennahme der Garderobe war wie immer eine Katastrophe""), der Veranstaltung 'Peter Pan - Kuba singt' und dann des Besuchs der Leipziger Frühjahrsmesse. Leipzig ist ""als Handelsmetropole der friedlichen Koexistenz eine Brücke zwischen Ost und West"". Illustriert wird der Bericht durch das Eintrittsticket und Pressemitteilungen. Vom 23. bis 26. März ging es nach Berlin, in die Hauptstadt der DDR. ""Der Besuch Berlins soll unsere Überzeugungen von der Richtigkeit unseres Kampfes um die Lösung der nationalen Frage festigen."" Das 2-seitige hektografierte Programm gibt auch Auskunft über die straffe Planung der Exkursionen und über die Hausaufgaben der Teilnehmer: ""Über eine besuchte Theaterveranstaltung ist eine Einschätzung für das Kulturtagebuch anzufertigen."" Unser Verfasser zeigt sich auch hier als eher ernsthafter Zeitgenosse. Er bemängelt, dass der vorbereitende Klubabend wieder einmal ""in lauter Tingel-Tangel-Tanzmusik"" endete. Der Berlinbesuch selbst wird als Höhepunkt der Schulung geschildert. Zwei Museumsbesuche pro Tag und abendliche Theater- und Konzertbesuche ließen zwar kaum ""Zeit zur inneren Sammlung"", aber die Eindrücke waren gewaltig. Nur die Unterkunft konnte nicht mithalten: ""Alles war so schmutzig und schmierig, daß man sich die guten Bekleidungsstücke vollkommen verunreinigt hat. ... von Schlafraum, Toilette, Waschgelegenheit ganz zu schweigen."" Fahrscheine, Eintrittskarten und Broschüren illustrieren den Bericht. Eine ausführliche Betrachtung zu Menzel's Eisenwalzwerk gehörte wohl zu den Pflichtaufgaben. ""Es ist zweifelhaft ob Menzel schon erkannt hat, daß er damit das Industrieproletariat dargestellt hat"". Man sah abends im Deutschen Theater Wilhelm Tell in der Inszenierung von Wolfgang Langhoff und Schwanensee in der Deutschen Oper (beides mit Programmheft und Zeitungsartikeln). ""Wenn die Staatsoper Berlin nach dem 13. August (1961, dem Tag des Mauerbaus, Anm. E.T.) in der Lage war, so ein Stück wie es Schwanensee ist in voller Besetzung aufzuführen, so ist das auch ein Beweis der Stärke und Karft unserer Deutschen Demokratischen Republik."" Das Kulturtagebuch endet mit einem Bericht über die Aufführung der 'Ravensbrücker Ballade' in der Volksbühne. ""Wann endlich wird die Menschheit in Westdeutschland erkennen, wo der Feind und wo der Freund ist.""."
Preis: 350 EUR