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JAROSCH, JORG: "Original-Entwürfe für ein Bootshaus (1930). In einer eigens angefertigten Mappe mit kalligraphisch gestaltetem Titel in rot und schwarz: 'Entwurf eines Bootshauses für wh. Herrn Ing. Heinz Schirmer in Nürnberg / Bayern. Entwurf: M 1:50. 1:25. Ausgeführt von Jorg Jarosch Dipl. Arch. Wien i. Oktober November des Jahres 1930'. Enthält 8 Kartons (25 x 40 cm) mit 5 montierten Architekturzeichnungen in bräunlicher Tusche (20 x 35 cm) und 3 Blaupausen (15,5 x 20 bzw. 23 cm), sowie ein handschriftliches Exposé auf 5 Blatt kariertem Papier, 28,5 x 22,5 cm, mit 1 Seite Widmung und anschließend 8 Seiten Erläuterung, jeweils signiert und datiert. Beigelegt sind 3 Blaupausen eines anderen Projekts: ""Einbau einer Wohnung in der Grolandstr. Nürnberg"", ""Frau E."", Januar und März 1931." Mappe aus rotem Halbleinen und Pappe mit zwei Schließbändern (Rückengelenke eingerissen, Decken etwas gebräunt und leicht berieben), 40 x 26 cm

"Bei dem Entwurf für ein Bootshaus handelt es um ein Geschenk des jungen Architekten Jorg Jarosch, eines Schülers von Clemens Holzmeister, der gerade sein Studium an der Wiener Akademie der Künste abgeschlossen hatte: ""Meinem lb. Freund Heinz Schirmer zugedacht. Weihnachten 1930. J."" heißt es in der Widmung. Wer Heinz Schirmer ist und ob das Bootshaus überhaupt realisiert wurde, ja ob überhaupt eine Chance dafür bestand wissen wir nicht. Jedenfalls demonstriert Jarosch in den Zeichnungen seine Fertigkeiten als Architekt, indem er dem Betrachter die zwei Ebenen des Grundrisses, mit dem eigentlichen Bootshaus im Erdgeschoss und einer Wohnung im darüber liegenden Obergeschoss, vor Augen führt sowie die zugehörigen vier Außenwände. Das in Holzbauweise gedachte Gebäude mit niedrigem und oben flach gehaltenem Walmdach wirkt einfach und wird vor allem durch die allein nach funktionalen Gesichtspunkten angeordneten Wandöffnungen (diese in unterschiedlicher Größe) gegliedert. Besondere Akzente setzen Geländer, die die Außentreppen und Terrasse begrenzen. Lebhaft fühlt man sich an das nur ein Jahr früher von Konrad Wachsmann (1901-1980) errichtete Sommerhaus für Albert Einstein in Caputh erinnert. Durch die Darstellung des einfahrenden Segelboots wird die Einheit von Nutzung und Bauwerk auch visuell unterstrichen, Boot und Haus verschmelzen zu einer funktionalen Einheit. Dazu im Kontrast steht die Einrichtung des Wohnraumes im Obergeschoss, die auf drei Blaupausen dargestellt ist, mit Mobiliar im Stil des Art déco, darunter ein Buffet, ein Bücherregal und ein eigenwillig gestaltetes Sofa. Und auch die drei beigefügten Blaupausen eines Speisezimmers eines Nürnberger Stadthauses zeigen Jarosch als Entwerfer von aufwendigen Einzelmöbeln wie eines Buffets und einer Vitrine: Aufriss einer Wand des Speisezimmers (18 x 35,5 cm, Maßstab 1:20), Entwurf zu einem Buffet (20 x 33 cm, Maßstab 1:10) Entwurf zu einer Vitrine (20,5 x 27 cm, Maßstab 1:10). Bei all diesen Möbelentwürfen erweist er sich stark dem Art déco verpflichtet und damit prädestiniert für eine wohlhabende Auftraggeberschicht, die teure Materialien und schöne Oberflächen liebte, sie aber in einem schlichten und funktionalen Design verarbeitet sehen wollte. Einblick in Jaroschs Denken gibt der dem Bootshausprojekt beigefügte handschriftliche Text. Jarosch erörtert hier sein Projekt nämlich nicht im technischen Sinne, vielmehr entwickelt er einen architekturtheoretischen Überbau. Zunächst vergleicht er das Bootshaus mit einer Garage. Letztere gehorche allein dem Zweck und bilde somit eine ""vorteilhafte Kulisse"", um ""die rassigen Formen und Linien"" des Automobils nicht zu beeinträchtigen. Auto wie Segelboot hätten ihre ""unzweideutigen Formen, aus dem Zweck entstanden, also schön."" Die Schönheit des Zwecks, das ""Zweckgefühl"" liefe freilich bisweilen Gefahr, durch eine ""spezielle Romatik"" ""vollkommen verleugnet"" zu werden. Dazu zählten überdeutliche Anklänge an andere Baugattungen wie die Alpen- oder Fischerhütte, die doch mit dem Segelsport nichts zu tun hätten. Auch müsse das Zweckgefühl Rücksicht auf Nebensächlichkeiten nehmen, die mit der reinen Zweckform des Segelboots nur bedingt etwas zu tun haben. Gemeint sind notwendige Funktionen, die sich aus den Konventionen des Segelsports ergeben: Der Bedarf eines Umkleideraums, eines Wohn- und Essraums, um Gäste zu bewirten, einen Schlafraum, um bessere Witterung abzuwarten oder gar Urlaub ""mit Kind und Kegel"" hier zu verbringen. Diese Nebenächlichkeiten überlagerten bisweilen gar das Hauptthema. Dennoch müsse sich die Architektur des Bootshauses aus dem Zweck und der Kultur, mithin auch der Mode (alles in Weiß), des Segelsports entwickeln. Jorg Janosch wurde am 20. März 1905 in Erlangen geboren und verstarb am 20. April 1980 in Baden bei Wien. Nach dem Besuch der Realschule in Nürnberg ging er zunächst an die dortige Bau- und Kunstschule. 1926 nahm er ein reguläres Studium Architekturstudium an der Wiener Akademie der bildenden Künste auf. Sein Lehrer war damals kein geringerer als Clemens Holzmeister (1886-1983), der dort seit 1924 lehrte, ja den Jarosch vielleicht sogar bewusst als seinen Lehrer auserwählt hatte. 1929 erlangte er sein Architekturdiplom. Holzmeister, einer der bedeutendsten Architekten seiner Zeit, war kein radikaler Modernist, sondern berücksichtigte vielmehr auch lokale Bautraditionen, die er freilich neu interpretierte, indem er sie mal schlichter, mal expressiver, mal mehr in die Richtung von Art déco entwickelte. Über Jaroschs Wirken nach 1930 ist wenig bekannt. Es ergeben sich nur einzelne Momentaufnahmen, die zeigen, dass er im Bereich Graphik, Design und Innenarchitektur tätig war, ja womöglich war dies sogar der Schwerpunkt seines Schaffens und nicht etwa der klassische Hochbau. Auch die hier vorliegenden Zeichnungen und Blaupausen unterstreichen sein Faible für das Möbeldesign. Eine Zeitschrift von 1931/1932 überliefert Schriftentwürfe von ihm, die locker und verspielt wirken, zwar modern, aber sich dennoch von der Schlichtheit einer strengen Bauhausästhetik absetzend (Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerisches Frauen-Arbeiten 69, 1931/1932, S. 246). Im Architekturzentrum Wien werden Entwürfe von ihm für Landeswappen aufbewahrt, sei es für das Generalgouvernement, also das von Deutschland besetzte Polen, sei es für die Republik Österreich nach 1945. Sehr spannend ist Jaroschs Tätigkeit in der Hakeburg in Kleinmachnow. Diese war 1936 an die Reichspost verkauft und in der Folgezeit bis 1938 als Dienstsitz und Empfangsgebäude des Reichspostministers Wilhelm Ohnesorge umgebaut worden. Der von Bodo Ebhard errichtete historistische Bau wurde dabei im Innern einem aktuellen Zeitgeschmack angepasst, der nichts mehr mit wilhelminischem Historismus und Burgenromantik zu tun haben wollte, aber dennoch nicht den gängigen Vorstellungen von NS-Architektur und NS-Kunst entspricht. Erhalten ist davon heute nur noch das Treppenhaus, doch ein reich bebilderter Aufsatz der Zeit gibt einen guten Eindruck der neuen Räume aus den dreißiger Jahren (Guido Harbers, Empfangsräume des Reichspostministeriums in der Hakeburg, in: Der Baumeister 36, 1938 [10], S. 305-326). Jarosch wird hier gemeinsam mit vier weiteren Beamten aus dem Postministerium genannt (Ministerialrat Georg Werner, Postbaurat Rudolf Nieß, Postbaurat Alois Maier, Postbauassesor Walter Ruf), doch nur er allein firmiert unter der Bezeichnung ""Architekt."" Seine genauen Anteile müssen erst noch erforscht werden. Doch passt der erste Eindruck gut in das Bild, das die Zeichnungen und Blaupausen vermitteln, sind die Räume der Hakeburg doch fast frei von Heimatschutzstil und Neoklassizismus, während sich Anleihen an Art déco, Bauhaus-Moderne, ja sogar verblüffende Vorausgriffe auf Moden der 50er Jahren finden. Nach 1945 war Jarosch im Wiener Büro von Max Fellerer und Eugen Wörle tätig und damit etwa am Wiederaufbau des im Krieg beschädigten österreichischen Parlaments sowie an der Errichtung eines Erweiterungsbaus für das österreichische Bundesfinanzministerium beteiligt. Auch hier ist nicht klar, wofür genau er verantwortlich zeichnete. Die vorliegende repräsentative Mappe mit Zeichnungen, Blaupausen und Text zeugt vom Anspruch eines jungen Architektur, der Architektur als eine umfassende Gestaltungsaufgabe auffasst, die bereits mit der angemessenen Präsentation der Entwürfe beginnt."
Preis: 1100 EUR