Buchcover
POMMERN -: "1. 'Plan der Action bei Soldendon in Pommern mit den Russn und Preiss 15. Oct. 1762'. 2. 'Plan der Affeir bey Pyritz mit denen Rusen und Preisen 1759, den 8.May'. Zwei große farbige Pläne in Tusche und Aquarell auf Papier, ohne Faltspuren, undatiert (zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, wohl vor 1770), unsigniert. Die Maße der ersten Karte 45,4 cm x 56 cm, die Maße der zweiten 45 cm x 55,6 cm. Dargestellt sind Orte, Befestigungsanlagen und die Schlachtenaufstellung von Truppen in einer Seenlandschaft, die Bezeichnungen der Orte und Truppen jeweils in dekorativer Titelkartusche. Allerdings sind diese Angaben offensichtlich weitgehend fiktiv, so läßt sich ein Ort ""Soldendon"", nach bisherigen Recherchen, in Pommern nicht nachweisen. Die Zeichnungen sind in halber Ansicht, perspektivisch gearbeitet. Die erklärenden Legenden sind mit einem teilweise verblaßten, goldenen Rahmen gefaßt. Charakteristisch für beide Karten ist die naive Darstellungsweise, mit Fehlern in der perspektivischen Wiedergabe von Landschaften und Gebäuden sowie teilweise flüchtigen Einzeichnungen des Wegenetzes. Wasserzeichen auf beiden Blättern: Lilie von Straßburg mit einem bekröntem Wappenschild, darunter ""C&I Honig"" (Cornelis & Jacob Honig, 1683-1856)."

"Die Entstehung der beiden Karten ist durchaus im Kontext einer kartographisch-militärischen Ausbildung zu denken, dafür sprechen Ausführung, aber auch Fehler und Schwächen in der Zeichnung. Die bekannten, zu Übungszwecken hergestellten, fiktiven Schlachtentopographien des 18. Jahrhunderts beschränken sich allerdings auf die eher schematische Darstellung von Orten und Gebäuden, während die vorliegenden Karten diese geradezu in den Mittelpunkt rücken. Thema in beiden Karten ist eine fiktive Auseinandersetzung zwischen Russen und Preußen in Pommern, sicherlich entstanden vor dem realen Hintergrund des Siebenjährigen Krieges. Besonderheiten und Datierung: Zu 1): ""Soldendon in Pommern"" ist ein rein fiktiver Ort. Weder gab es eine Stadt, noch ein Schloss dieses Namens. Das Schloss auf der Karte ist scheinbar an einer Küstenlinie situiert. An seinem Fuße ist eine Wassermühle mit zwei Wasserrädern - vielleicht sogar eine Pulvermühle - gezeichnet, die es in einer solchen Region nicht geben kann. Auch andere, eingezeichnete Orte wie ""Ortenstein"" sind in Pommern nicht nachweisbar. Im Vorfeld der Burg scheinen wahllos die preußischen wie russischen Linien in die Landschaft gesetzt worden zu sein, ohne auf Gelände oder Taktik besonderen Wert zu legen. Dargestellt sind zwei sehr große Armeen. Die Russen zeichnen sich durch zahlreiche Regimenter, mehrere Kavallerie- und Kosacken-Einheiten aus und sind zudem mit 38 Geschützen ausgestattet. Ähnliches gilt für die Preußen, die als ""Preissen"" bezeichnet werden. Der Darstellung nach müßte es sich um Armeen mit mehreren tausend Mann handeln, vor allem in Anbetracht der in der Legende aufgelisteten Verluste. Hier ist die Rede von einem Verlust von 4000 Mann auf Seiten der Preußen, eine Zahl die der Militärgeschichte wohl nicht unbekannt geblieben wäre. Für den fiktiven Charakter der Darstellung spricht aber besonders die Datierung dieser Begegnung für den 15. Oktober 1762, einem Zeitpunkt, zu dem Rußland keine Truppen in Pommern hatte und zum anderen seit mehr als zwei Jahren die kriegerischen Handlungen gegen Preußen eingestellt hatte. Zu 2): Im Gegensatz zu Soldendon handelt es sich bei Pyritz um einen realen Ort unweit vom heutigen polnischen Szczecin und Stargard Szczecinski, in der Nähe des großen Madüsees (poln. Miedwie, früher auch großer Stargarder See). Nur läßt sich die in der Karte gezeichnete Topographie heute nicht mehr erahnen. Der Zeichner hat den See und die Landschaft so wiedergegeben, wie diese vor 1770 zu sehen waren. Auf heutigen Karten, in denen der See mit einer Größe von 35 km² verzeichnet ist, ist die ursprüngliche Weite des Sees von fast 60 km² nicht mehr nachzuvollziehen. 1770 wurde David Gilly von Friedrich II. mit der Melioration des Gebietes betraut und begann mit der Umformung der gesamten Landschaft. Grundlage der vorliegenden Karte ist diese Landschaft eindeutig vor den Maßnahmen Gillys. Schloss Pyritz wie auch die umliegenden Orte sind perspektivisch und mit zahlreichen Details versehen dargestellt. Doch auch hier bahnte sich die Fiktion ihren Weg auf das Papier: taktisch ist eine Schlacht zwischen Russen und Preußen dargestellt, die am 8. Mai 1759 stattgefunden haben soll. Auch hier läßt sich in den Quellen und in der Literatur nichts über ein größeres Gefecht, wie in der Karte dargestellt, für diesen Zeitpunkt sagen. Zwar war das Gebiet um Stettin und Pyritz besonders in den Jahren von 1758 und 1759 besonders stark von russischen Truppen, insbesondere Kosacken, heimgesucht. Zu einem solch großen Truppenaufmarsch kam es jedoch nie. Dies gilt besonders für den Mai 1759, da die russischen Truppen in Ostpreußen überwinterten und zum Juni und Juli des Jahres im Großraum Posen (Poznan) konzentriert wurden. Allenfalls könnte es sich vielleicht um ein kleineres Gefecht handeln; Genaueres müßten weitere Recherchen ergeben. Zustand: Die ursprünglich sicherlich blaue Farbe der Gewässer hat sich alterungsbedingt verdunkelt, von wenigen kleinen Randläsuren abgesehen wohlerhalten."
Preis: 1600 EUR